Donnerstag, 30. Juni 2011

Gaios Geschichten 3: Buddha Day

Gaio war gerade in Bangkok angekommen, jetzt wollte er auf Erkundungstour gehen. Es war früher Vormittag und sein erstes Ziel war der Königspalast Wat Pra Keo, eine der Hauptattraktionen der Stadt und nur wenige hundert Meter von seinem Hotel entfernt. Er machte sich zu Fuß auf den Weg, musste eigentlich nur geradeaus gehen.
Am Straßenrand stand ein thailändischer Mann mittleren Alters, gut angezogen, der ihn ansprach.
„Where are you going?“
Gaio war misstrauisch, Schlepper und Abzocker war er aus Indien noch gewohnt.
„Just walking around!“
„The palace is over there, but today it's closed!“
„Ok, ok. Thank you!“
„I want to help you. Only today is Buddha Day, national holiday. Palace closed!“
„Ok, thank you!“
Gaio ließ den Mann mit ein wenig schlechtem Gewissen stehen. Was, wenn der Mann ihm wirklich nur helfen wollte? Und wenn er Recht hat und heute wirklich ein Feiertag ist, vielleicht ist der Königspalast wirklich geschlossen. Und wie komme ich jetzt hier über diese Straße?
Die sechsspurige Stadtautobahn war nicht leicht zu überqueren. Weiter hinten sah Gaio aber einen Fußgängerübergang über eine der zahlreichen Abzweigungen. Das war zumindest schon mal die richtige Richtung.
Er gelangte an den Übergang und wurde wieder angesprochen.
„Are you going to the palace? Today it's closed, today is a holiday. Buddha Day.“
Noch einer mit derselben Geschichte?
„You can go to Standing Buddha, biggest standing Buddha of Bangkok. Government promotion, very cheap Tuktuk!“
Was wenn diese Feiertagsgeschichte stimmt? Der größte stehende Buddha Bangkoks hört sich auch nicht so schlecht an.
„You can also visit other temples. Today Buddha festival, very special day!“
Gaio glaubte die Geschichte trotzdem nicht ganz, also machte er sich daran, die Straße zu überqueren. Der erste Zebrastreifen brachte ihn bis zum Grünstreifen zwischen den Fahrbahnen, dort musste er wieder warten.
Mit einem Lächeln sagte der Mann hinter ihm: „I just want to help, please! You don't need to pay me!“
Vielleicht meint er es erst, dachte Gaio. Ok, was kann ich schon verlieren, dann höre ich eben mal zu. Er ging über die Straße zurück und der gepflegte Mann fing an, Gaio von verschiedenen Tempeln zu erzählen, die aufgrund des Feiertags an diesem Tag besonders schön zu besichtigen seien. Neben dem riesigen stehenden Buddha sollte es einen tollen sitzenden Buddha geben, einen schwarzen Buddha und zum Schluss einen Tempel oben auf einem Berg, von dem man eine gute Aussicht über die Stadt genießen kann. Und weil eben Feiertag ist, bekommen die Tuktuk-Fahrer Unterstützung von der Regierung, deshalb kostet die Runde fast nichts. Vielleicht keine schlechte Sache, am ersten Bangkoktag mal ein bisschen die Stadt erkunden, dachte Gaio. Der Mann hatte die Ziele auf ein Stück Papier geschrieben, das er dabei gehabt hatte. Ob das Gaios erster Tag in Thailand sei? Ja, gestern Abend angekommen. Dann müsse er wissen, dass man in Thailand super einkaufen kann. Kleidung, Schmuck, Spielzeug, alles. Danke, aber einkaufen wolle er nicht, sagte Gaio. Auch kein Problem, so der nette Helfer, falls er mal Lust bekommen sollte, schreibe er hier auf den Zettel den Namen der Läden: Thai Export. Dort gebe es billige und gute Sachen ohne Steuern für Touristen.
Gaio ließ sich den Zettel geben und ging mit dem Mann zu einem in der Nähe wartenden Tuktuk. „20 Baht für die gesamte Runde. Das war wirklich fast nichts.
„You very lucky. It's Buddha Day!“, sagte der Fahrer.
Sieht wirklich so aus als hätte ich Glück gehabt. Gaio rutschte auf seiner gemütlichen Sitzbank hinten in dem dreirädrigen Moped so hin, dass er gut die Stadt vorbeirauschen sehen konnte. Sie fuhren über große Straßen, durch kleine Gassen, an Wäschereien, Werkstätten und unzähligen Essensständen vorbei, die Snacks aus Fleisch und Reis verkauften, manchmal gebratene Nudeln, und alles direkt zum Mitnehmen und gleich essen. Mittags würde er sich an diesen Ständen satt essen, dachte Gaio.
Sie kamen beim ersten Tempel an, und der nette Mann hatte nicht zu viel versprochen. Der dort stehende Buddha war tatsächlich riesig. 36 Meter hoch, komplett vergoldet, eine Hand erhoben. Bei seinen gigantischen Füßen legten Gläubige Blumen nieder. Über Lautsprecher machte ein Mann Ansagen auf Thai, an mehreren Ständen, die im Tempelhof aufgebaut waren, saßen Thais. Das muss wegen dem Buddha Day sein, dachte Gaio, als er zurück zum wartenden Tuktuk ging. Jetzt zum sitzenden Buddha, dachte er. Sie fuhren wieder durch ein verwirrendes Straßengewühl und kamen bei einem kleineren Tempel an.
„Sitting Buddha!“, ließ ihn sein Fahrer wissen, und Gaio steig aus um den Tempel zu betreten. Im Hof sah er einen Thai sitzen und warten. Der Tempel sei gerade zu, sagte der Mann. Er warte schon eine Stunde. Auf Thai fragte er einen Mann, der an der Tempelmauer Maurerarbeiten erledigte, wie lange es noch dauern würde. Fünf Minuten war anscheinend die Antwort, so lange beten die Mönche im Inneren noch. Wo Gaio herkomme und wie lange er schon in Thailand sei, wollte der Mann wissen. Er selbst komme einmal im Jahr nach Thailand, er lebe eigentlich in Australien. Und heute am Buddha Day gehe er gerne in den Tempel.
Nach guten zehn Minuten hatte Gaio genug gewartet. Schade, dachte er, aber ich habe ja noch ein paar Tempel vor mir.
Der Tuktuk Fahrer hatte jetzt eine Bitte an Gaio. Er erklärte ihm, dass Fahrer am Buddha Day Benzingutscheine bekommen, wenn ihre Kunden in bestimmte Läden gehen. Sonderprogramm der Regierung. Ob Gaio nicht in so einen Laden gehen könne? Er müsse auch wirklich nichts kaufen, nur reingehen und schauen, damit er den Benzingutschein bekäme. Wenigstens ist er ehrlich, dachte Gaio, und wahrscheinlich ist das mein Teil der Abmachung. Ich zahle fast nichts, dafür arbeite ich ein bisschen für meinen Fahrer.
Also fuhren sie zu einem Schmuckladen. Ohnehin nicht das, was Gaio zum Kauf verführen würde, also blieb er nur kurz. Ob er seinen Coupon bekommen habe, fragt er den Fahrer. Ja, alles bestens, war die Antwort, also ging es weiter zum nächsten Tempel. Hier sollte es einen schwarzen Buddha zu sehen geben. Als Gaio vor dem Tempel stand, war er leicht enttäuscht, die Türen waren verschlossen. Ein thailändischer Mann mit umgehängter Kamera sprach ihn an. Er sei aus London, mache hier Urlaub. War vorher in Hua Hin am Strand, nett und ruhig dort, viele Familien. Ob Gaio schon viel gesehen habe? Der Thai sprach perfektes Englisch, britischer Akzent. Ob Gaio schon zu einem Laden gefahren sei? Ja, zu einem Schmuckladen. Gekauft habe er aber nichts, so Gaio. Warum denn nicht? Er mache das die ganze Zeit, der Schmuck sei hier sehr billig, den kann er in England teuer weiterverkaufen!
Gaios Alarmglocken schrillten. Davon hatte er gehört. Banden, die Touristen zum Kauf minderwertiger Edelsteine überredeten, für die sich in Europa kein Juwelier interessiert. Es gab sogar Selbsthilfegruppen für Opfer dieser Banden, die viel Geld verloren hatten.
Er wechselte schnell das Thema und verließ zügig den Tempel. Zurück im Tuktuk wollte der Fahrer noch einen Coupon, diesmal von einem Reisebüro. Gaio solle nur kurz reingehen, vielleicht ein paar Fragen stellen. Das tat Gaio, bekam aber statt konkreter Antworten nur überteuerte Angebote für Komplettpakete, fast wie ein Pauschalurlaub. Das wollte Gaio nicht. Der Berater ließ Gaio wissen, dass er aber schnell buchen müsse, da gerade Hochsaison sei. Jetzt gerade ist Hochsaison? Es ist Juni, die Saison geht bis April. Nein, nein, im Juli kommt der Regen, davor wollen alle noch einmal in den Urlaub. Deswegen ist alles voll!
Gaio glaubte kein Wort und verließ das Reisebüro. Er hoffte, die vielen anderen Touristen, die er mit Tuktuks hier vorfahren sah, fielen nicht auf solche Sprüche herein.
Der Fahrer brachte ihn zum nächsten Tempel. Dieser war zum Glück offen, und als er den Tempel betrat, kam ihm ein lächelnder, älterer Herr entgegen. Er erklärte Gaio, wo die Mönche sitzen und wo die normalen Menschen. Seinen Hut müsse er abnehmen. Dann dreimal eine Verbeugung vor der zentralen Buddhafigur, die wieder komplett vergoldet war. Nun könne man sich etwas wünschen, um sich danach wieder dreimal zu verbeugen.
Gaio war froh über diese Unterweisung, er hatte bis jetzt nicht genau gewusst, wie man sich in einem buddhistischen Tempel zu verhalten hatte. Wo er herkomme und wie lange er schon in Thailand sei, fragte der ältere Herr. Er selbst sei Lehrer, unterrichte Englisch und komme immer nach dem Unterricht hier in den Tempel. Im Nachbargebäude hörte Gaio Kindergeschrei. Die Schule wahrscheinlich. Die beiden unterhielten sich ein wenig. Das Gespräch kam aufs Einkaufen. In Thailand könne man sehr gut Kleidung kaufen, maßgeschneiderte Anzüge zum Beispiel. Ob Gaio mit dem Tuktuk hier sei? Das ist heute ja besonders billig wegen dem Buddha Day, da habe Gaio Glück. Fünf Minuten von hier gebe es einen guten Laden, der super gute maßgeschneiderte Kleidung mache. Top Ten sei der Name, Gaio solle seinem Fahrer sagen, dass er dort hin wolle.
Das war nicht nötig, denn der Fahrer wollte ohnehin noch einen Benzincoupon. Er fuhr Gaio zu einem Laden in dem es Kleidung gab – Top Ten.
Drinnen schaute sich Gaio ein paar Kataloge an und unterhielt sich mit dem Verkäufer, einem netten Typen. Er kaufte nichts.
Der Fahrer hatte wohl seinen Coupon bekommen, er ewartete Gaio lächelnd. Mittlerweile war es schon nach Mittag und Gaio hatte Hunger. Er wollte erstmal keine Tempel mehr sehen, also sagte er dem Fahrer, er wolle dorthin, wo er zugestiegen sei. Ob er vorher noch einen Coupon holen könne? Nur einen? Nagut, einen. Es ging in ein weiteres Reisebüro, auch hier mit schlechten und teuren Auskünften.
Gaio gab seinem Fahrer die 20 Baht und verabschiedete sich. Den Rest des Tages nutzte er zum Herumlaufen. Er ging sogar beim Königspalast vorbei, und sah, dass er jetzt offen hatte. Am Eingang versicherte man ihm, dass er morgen auch offen habe.
Am nächsten Tag machte er sich also auf den Weg zum Königspalast und nahm denselben Weg wie am Vortag. Wieder wurde er angesprochen, aber von einem anderen Mann als das letzte Mal. Gaio wusste schon vorher, was er sagen würde.
„The Palace is closed. Today Buddha Day, only today!!“

1 Kommentar:

Robert hat gesagt…

Tolle Pointe, volles Flair, ich kanns mir richtig vorstellen. Go go Gaio :)