Freitag, 27. Mai 2011

Gaios Geschichten 1: Kailash

„Where are you going tomorrow?“
„I don't know. To the Ellora-Caves maybe“.
„I can get you an A/C Taxi with a guide, you drive there in the morning and come back in the evening.“
„How much is it?“
„900 Rupees only!“
Schon wieder jemand, der etwas verkaufen will. Das ging Gaio langsam auf die Nerven. Er hatte im Reiseführer gelesen, dass man ganz einfach und billig mit dem öffentlichen Bus zu den berühmten Höhlen von Ellora fahren kann. Auf die Klimaanlage konnte er verzichten und die 900 Rupien konnte er auch nicht so einfach aus seinem Budget reißen.
„Ah, ok“.
„It's with A/C! And you have as much time as you like in Ellora. The caves are beautiful“.
„I know, thank you, I need to think about it“.
„Ok, you think about it. Later you come back and tell me!“
„Ok, good“.
„I am here until 8“.
„Ok“.
Gaio hatte nicht die Absicht, zurück zu kommen, nur um Bescheid zu sagen, dass er das Taxi nicht wollte. Er wollte nur hier in dem kleinen Reisebüro sitzen, weil es drahtloses Internet anbot. Das Reisebüro lag außerdem direkt neben seinem Hotel, es war bequem mit dem Laptop hierher zu kommen.
„Later you come and tell me about the Taxi!“, sagte der junge Mann vom Reisebüro noch mal, als Gaio fertig war und ging.
„Ok, ok. Bye!“, war alles, was er erwiderte.
Den Nachmittag verbrachte Gaio damit, die Stadt zu erkunden. Aurangabad war ziemlich uninteressant, abgesehen davon, dass es sich gut als Ausgangspunkt für einige Unternehmungen in der Region eignete. Der Mangosaft schmeckte aber auch hier vorzüglich. Auf dem Rückweg kam Gaio am Busbahnhof vorbei. Er sah, von wo der öffentliche Bus nach Ellora fuhr. Jetzt konnte morgen nichts mehr schief gehen.
Von den Stufen zum Hoteleingang konnte man in das kleine Reisebüro blicken – und zurück. Mist, dachte Gaio. Nicht, dass mich der nervige Verkäufer sieht und eine Antwort will. Er huschte die Stufen hinauf und vermied jeden Blick zum Reisebüro hinüber.
Der Tag in den Höhlen von Ellora war wundervoll. Buddhisten, Hinduisten und Jainisten hatten hier vor vielen Hundert Jahren aufwändige Tempelhöhlen aus dem Fels gehauen, in denen die in der Nähe vorbeiziehenden Händler und Pilger beten konnten. Die Beeindruckendste davon war eigentlich keine Höhle, sondern ein gigantischer Tempel, der aus einem massiven Stück Fels bestand. Er hieß „Kailash-Tempel“, und war sowohl wegen seiner Dimension umwerfend, wie auch wegen seiner künstlerischen Detailverliebtheit. Gaio schoss eine Unmenge Fotos und genoss die einsame Stille in den verlassenen Ecken des Kailash-Tempels. Er setzte sich hin und stellte sich vor, auf dem Berg Kailash zu sitzen, Shivas Heimat im Himalaya, nach welcher der Tempel hier benannt war. Dort war es kühl und angenehm, der Kailash war ein Ort des Friedens, ebenso wie der Kailash-Tempel hier in Ellora.
Zurück in Aurangabad fiel Gaio erschöpft ins Bett, nachdem er beim Hoteleingang wiederum den Blicken des Reisbüroangestellten ausgewichen war.
Am darauffolgenden Tag musste Gaio Zeit totschlagen. Er hatte einen Nachtzug gebucht und bis der am Abend losfahren würde, hatte er nichts zu tun, außer übers Internet zurück in seiner Heimat einige Sachen zu klären. Ok, dann eben wieder in das Reisebüro mit dem nervigen Angestellten.
„I would like to use the wireless Internet again“
„Ok, you can sit over there“
Gaio vermied Blickkontakt und konzentrierte sich auf seine Emails. Es dauerte länger als er gedacht hatte. Nach etwa einer Stunde setzte sich der Angestellte auf eine Bank am Rand des Raums, von wo aus er Gaio sehen konnte.
„Are you hungry?“
Gaio hatte tatsächlich Hunger. Der Angestellte packte gerade sein Mittagessen aus.
„Come here!“
Er bot Gaio etwas von dem Fladenbrot an, das er von zuhause mitgebracht hatte und füllte ihm einen Teil seines Bohnengerichtes in einen Behälter. Gaio war überrascht über das freundliche Angebot. Er setzte sich zu dem Angestellten, gemeinsam aßen sie.
„This tastes great, who made it?“
„My mother“.
„She is a good cook!“
„Thank you“, beide lächelten. Sie unterhielten sich über indisches Essen und Mütter, die sich überall auf der Welt um ihre Söhne kümmerten. Der Angestellte erzählte ihm, dass er nächsten Monat heiraten würde, dass sich die Väter des Brautpaares gerade über die Hochzeit geeinigt hätten. Gaio erzählte von seiner Reise, und dass er noch weitere neun Monate unterwegs sein würde.
„I study Microbiology“, sagte der Angestellte. „In vacation time I have to work here, because my family has many moneyproblems. I get 1500 Rupees a month“.
Das sind nur 25 Euro, dachte Gaio.
Nach dem Essen setzte sich Gaio wieder an seinen Laptop und arbeitete weiter. Als er fertig war, stand er auf und zahlte.
„Thanks again for the great meal, it tasted delicious“
„No problem, it was nice meeting you!“
„My name is Gaio, by the way. What's your name?“
„It's Kailash. Like Shiva's mountain in Himalaya.“

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Diese Geschichten geben eurer Reise eine neue Dimension. Ich freue mich auf mehr!
Dad

Anonym hat gesagt…

hey jetzt bin ich also tatsächlich bis hierher durchgekommen - schön nach so langer Zeit von Dir zu hören und zu sehen, dass es Dir gut geht. Ich wohn seit ein paar Wochen in Münster und verfolge voll Freude Deine Reise mit! Wir hören also voneinander. Alles Gute wünsch ich Dir, Linda